Mary und ich waren
gerade dabei ein Buch zu lesen. Ein Märchen…
Mary liebte Märchen
und Prinzessinnen. Am liebsten war sie selbst eine und so trug sie
auch jetzt einen schreiend rosa Tülltraum, der mich jedes mal fast
zum Kotzen brachte ( Ich meine: Rosa!!) und eine silberne Tiara mit
goldenen, roten und lila Steinen.
„Was war das?“
fragte Mary mich mit ängstlicher Stimme
„Was ?“
erwiderte ich eher desinteressiert.
„Geräusch...“
„Du sollst in
ganzen Sätzen sprechen, Kleine.“
Mary stand auf, nahm
ihren goldenen Prinzessinen-Feen-Super-Glitzer-Zauberstab und schlich
zum Fenster. Dann drehte sie sich zu mir um und schaute mich
erwartend an.
Ich kannte diesen
Blick.
Meine kleine
Schwester setzte ihn immer auf wenn sie etwas haben wollte (und das
war sehr
viel) oder wenn sie etwas von einem wollte, so wie jetzt.
viel) oder wenn sie etwas von einem wollte, so wie jetzt.
Seufzend stand ich
auf, wählte meine Zauberwaffe (eine Taschenlampe) und stellte mich
neben sie.
„Unterfee, öffne
das Fenster“ kam in einem zuckersüßem Tyrannenton.
Keiner konnte das
besser als Mary. Ich wog meine Möglichkeiten ab: Mama und Papa waren
nicht da, was bedeutete, dass wenn ich nicht gehorchte, ich auch
Marys Launen ertragen würde müssen. Also gehorchte ich und öffnete
das Fenster.
„Schau raus und
berichte!“ befahl mir meine Tüllmonster-Oberfee. Gehorsam beugte
ich mich hinaus.
Gerade als ich zu
einem: „Hier ist nichts“ ansetzte sah ich es. Oder besser ihn.
„Oh...“, mir
entfuhr ein überraschter Laut , „Der Arme...“
„Was ist da ?! Wer
ist da?! Sag's mir sofort!!!!“
„Beruhig dich, da
ist nichts.“ log ich. Mary rannte zu ihrer Balkontür. Ich frage
mich jedes mal wie jemand wie jemand der so viel Tüll um die Beine
hat so schnell rennen kann.
„Doch da ist was!
Sonst hättest du nicht so blöde geguckt!“
Mist. Klug ist sie
ja, die Kleine.
„Du musst mir
jetzt auf der Stelle die Tür aufmachen!“
„Nein.“
„Doch“
„Nein“ erwiderte
ich mit mehr Nachdruck.
„Doch!“ kam
entschieden und mit einem Schienbeinkick zurück.
„Autsch! Spinnst
du ?!“
„Das bist nur du
schuld! Und jetzt mach mir die Tür auf!“
Ich seufzte
resigniert, wenn Mary so drauf war konnte sie sehr überzeugend sein.
Ich öffnete die Tür und trat mit meiner Schwester auf den Balkon.
Ich schwieg. Ich wusste was nun passieren würde.
„Schau mal Annie,
ein kleiner, schlafender Vogel“
„Er schläft nicht
Mary..“
„Doch. Guck doch.
Seine Augen sind zu“
„Er ist Tod.“
Nicht sehr schonend aber ich hasse es um den heißen Brei herum zu
reden.
„Tod? Wie die
Bösen am Ende der Märchen immer?“
„Ja, genauso“
„Was hat er denn
böses gemacht, Annie“ fragte sie ängstlich.
„Gar nichts,
vermutlich“
„Aber warum ist er
denn dann tot ?“
„So ist das eben.
Menschen und Tiere sterben auch wenn sie es nicht verdient haben.“
während meiner Worte füllten sich die Augen meiner Schwester
langsam mit Tränen
„Wie unfair!“
jetzt liefen die Tränen in Sturzbächen.
„Ach
Schwesterchen, komm her...“ Ich nahm Mary in den Arm und versuchte
sie zu beruhigen. Doch sie wollte nicht aufhören. Also ließ ich sie
in meinen Armen weiter weinen und betrachtete den toten Vogel.
Es war ein kleines
Rotkehlchen. Die Federn auf seiner Kehle waren wirklich feuerrot.
Obwohl es tot war war es wirklich wunderschön.
Da hatte ich
plötzlich eine Idee.
„Mary, sollen wir
es so machen wie die sieben Zwerge?“
Sie schniefte:
„Was?“
„Wie die sieben
Zwerge, in dem Märchen. Als Schneewittchen stirbt, da bauen sie ihr
doch einen Sarg und begraben sie.“
„Sie begraben sie
doch nicht! Sie bleibt über der Erde… Aber“ erneute Tränen.
„Der Vogel würde
sich sicherlich über ein Märchenbegräbnis freuen.“
„Vielleicht hast
du recht...“
„Natürlich hab
ich das!“
„Okay“
Ich lächelte sie
an: „Besorgst du die Gäste, das Essen, die Musik und den Sarg? Ich
kümmere mich um das Loch.“
Ein letztes
Schniefen: „Ok, mach ich.“
„Den Sarg brauche
ich zuerst.“
„Jawoll, Ober-
Bestatterin“
Ich machte mich auf
den Weg um Handschuhe und einer Schaufel zu hohlen. Mary war indes
eifrig auf der Suche nach einem passenden Sarg.
Als ich wieder in
ihrem Zimmer ankam, war sie gerade dabei einen kleinen Schuhkarton
anzumalen.
„Da, bin fertig“
sagte sie und streckte
mir
den Regenbogen-Bunten-Sarg entgegen. Ich nahm den Karton.
„Super, wenn du
gerade eh schon am Basteln bist, mach doch gleich noch einen
Grabstein, ok ?“
Mary nickte
begeistert.
Wieder draußen auf
dem Balkon schob ich, mit meiner behandschuhten Hand, das Rotkehlchen
auf die Schaufel und ließ es danach vorsichtig in den Schuhkarton
rutschen. Ich schloss den Karton und nahm ihn mit in den Garten.
Mary war schon dort
und baute Kuscheltiere und Puppen auf. Neben ihr stand ein Tablett
mit Keksen.
„Wo wollen wir ihn
begraben, Mary?“
„Da. Neben den
Rosen“
Ich zuckte mit den
Schultern, das ging ja noch. Ich hatte mich darauf vorbereitet den
gesamten Garten umgraben zu müssen.
Etwa 30 Minuten
später war das Loch fertig.
Während Mary eine,
improvisierte, Rede hielt, legte ich den Karton in das Loch. Danach
half Mary mir das Loch wieder zu verschließen. Das dabei ihr rosa
Tülltraumkleid dreckig wurde machte ihr scheinbar nichts aus. Als
großes Finale stellte Mary den Grabstein auf. Es war mein Mäppchen.
Sie hatte mit Edding ein Kreuz und ein Rotkehlchen darauf gemalt.
Ich musste lächeln.
„Auf Beerdigungen
lächelt mann nicht! Man weint“ sprach die kleine Tyrannin und
Hauptleidtragende.
„Ach Mary…
Meinst du nicht, es wird langsam Zeit die restlichen Kekse zu essen?“
„Wieso
restlichen?“
„Weil ich genau
gesehen habe wie sich eine kleine Prinzessin ein Paar davon genommen
hat.“
Strafend schaute
Mary zu ihrer Lieblingspuppe:
„Also wirklich
Elisabeth...“
Ich nahm mir die
hälfte der Puppen und den Keksteller.
„Komm du kleines
Keksmonster“
„Wenn überhaupt
bin ich eine Keksprinzessin!“
„Von mir aus auch
das.“ erwiderte ich schmunzelnd.
Mit Keksen und
Spielzeug verzogen wir uns wieder in Marys Zimmer. Sie setzte sich
auf meinen Schoss und fütterte uns beide mit Keksen, während ich
das Märchen zu ende las.
„Und wenn sie
nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“
Ende
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